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Interview mit Prof. Wolgang Benedek

Prof. Wolfgang Benedek ist Professor für Völkerrecht an der Universität Graz und einer der Initiatoren und Leiter des European Training Centres for Human Rights and Democracy ETC in Graz. Als weltweit anerkannter Menschenrechtsexperte ist er auch im Ausland immer wieder im Einsatz. Er ist Vorsitzender des Menschenrechtsbeirates der Stadt Graz und einer der Kämpfer für die Idee der Menschenrechtsstadt Graz. Im Rahmen der Dreharbeiten für den Film „Graz – Stadt der Menschenrechte“ begleitet ihn ein Kamerateam unter Gernot Lercher vom ORF Steiermark nach Sarejewo in Bosnien-Herzegowina, wo am 17. Mai 2007 das folgende Interview entstanden ist.

Gernot Lercher:
Herr Prof. Benedek wie schwer war es während des Krieges hier in Sarajevo universitäre Einrichtungen einerseits aufzubauen, mitzuhelfen aufzubauen, andererseits sie dann auch in Betrieb zu halten?


Wolfgang Benedek:
Na ja, es war einerseits der Wiederaufbau, das heißt, es war viel zerstört und kaputt und einfach physisch wieder herzurichten, und dann war aber auch der intellektuelle Wiederaufbau, der akademische Wiederaufbau, das heißt, die Leute bei der Stange zu halten, an die Universität zu binden, und, nachdem sehr viele weggegangen sind, waren eigentlich nur noch wenige überzeugte Leute da, auf die man zählen konnte.

Gernot Lercher:
Ist es nicht vielleicht gerade so, dass in schwierigen Zeiten, nicht zuletzt in Kriegszeiten, ein Bildungsangebot auch hilft, Hoffnung zu geben?

Wolfgang Benedek:
Ja, das Bildungsangebot war ein Teil dieser verschiedenen Hoffnungsträger – wie zum Beispiel das „Sarajevo-Film-Festival“ – das auch während des Krieges weiter gegangen ist, oder, dass man eben versucht hat, das Bildungsangebot auch unter schwierigsten Bedingungen aufrecht zu halten, in den Räumen, die zur Verfügung gestanden sind, mit den Mitteln, die zur Verfügung gestanden sind. Und es war nicht unüblich, dass man zum Beispiel, den Soldaten, der hier Dienst gemacht haben, Bücher mitgegeben hat und versucht hat, auf diese Weise neue Literatur hereinzubringen.

Gernot Lercher:
Haben Sie sich eigentlich in dieser Zeit auch selbst gefährdet gefühlt?

Wolfgang Benedek:
Ich glaube, ich war nicht besonders gefährdet, aber manchmal hat man ein mulmiges Gefühl gehabt, wenn man wieder gekommen ist und es waren einige Einschusslöcher, in dem Raum, in dem man geschlafen hat oder so. Und natürlich, wenn man am Abend unterwegs war und es war rundherum Gefechtslärm, das war auch nicht gerade angenehm. Ich habe Glück gehabt, ich war nicht in der schwierigsten Zeit da.

Gernot Lercher:
Sie sind renommierter Völkerrechtler und wahrscheinlich auch ein Mann, der das aus Überzeugung auch tut. Aber muss man da auch besonders mutig sein oder eben diese Überzeugung auch sonst leben, hier herkommen, um das, was man tut, auch glaubhaft vermitteln zu können?

Wolfgang Benedek:
Für mich war maßgeblich, dass ich als Vorsitzender von „WUS – World University Service“ in Österreich schon mit ähnlichen Situationen in anderen Teilen der Welt konfrontiert war. Als ich hier her kam, habe ich sehr schnell erkannt, was hier los ist und was die Bedürfnisse sind. Aber, wie immer, kommt auch etwas Emotionales dazu, dass ich während des Krieges Flüchtlingsstudenten bei mir zu Hause wohnen gehabt habe, insbesondere eine Kollegin aus Sarajevo, die mir sehr stark vermittelt hat, wie die Situation hier ist und wenn man das so persönlich mit erlebt, dann ist man auch besonders motiviert, etwas zu tun.

Gernot Lercher:
Wir waren jetzt einige Tage hier und haben vor allem dieses tolle Gebäude des World University Service WUS, das so gut funktioniert, diesen Treffpunkt der Jugend, erleben dürfen. Ich glaube, das ist etwas, auf das man besonders stolz sein kann und darf.  

Wolfgang Benedek:

Wir wollten hier ein Zentrum errichten, das Innovation symbolisiert, das Angebote enthält, die mit anderen Angeboten weltweit konkurrieren können, und das den Studierenden über Internet zum Beispiel einen Zugang gibt zu Wissen, das international verfügbar ist. Ich glaube, dieses Konzept ist ganz gut aufgegangen.

Gernot Lercher:
Es ist wohl auch deshalb so gut aufgegangen, weil man eben nach Kriegsende nicht wieder weggegangen ist, sondern sein Engagement, diese Bindung hierher wirklich sukzessive fortgesetzt hat und weiter darauf aufbaut?

Wolfgang Benedek:
Es sind so viele NGOs, die während des Krieges oder kurz danach da waren, inzwischen wieder weg. WUS ist eben weiterhin hier und hat weiterhin eine wichtige Funktion. Wir haben allerdings auch vor fünfeinhalb Jahren ein lokales Komitee von WUS, also ein bosnisch-herzegowinisches Komitee gebildet, und diese Leute arbeiten jetzt eigenständig und die sollen auch einmal das ganze Zentrum übernehmen.

Gernot Lercher:
Kann man trotzdem sagen, es hat sich auch durch den Krieg und durch die Zeit danach eine tatsächlich starke universitäre Beziehung, Bindung zwischen Graz und Sarajevo entwickelt?

Wolfgang Benedek:

Ja, es ist sicherlich etwas in diese Richtung entstanden. Wir haben nach einigen Jahren unter Rektor Konrad in Graz eine Universitäts-Partnerschaft abgeschlossen und daraus ist eine immer engere Beziehung geworden, die auch noch ausbaufähig wäre.

Gernot Lercher:

Wir haben das Menschenrechts-Zentrum gestern besucht, das sich auf als eine ganz exklusive Bibliothek darstellt, die sozusagen auch das Herzstück dieses Bereiches ist. Ist das richtig?

Wolfgang Benedek:

Es ging uns nach dem Krieg darum, dass hier Kapazität aufgebaut wird, dass man nicht abhängig ist von ausländischen Experten, sondern seine eigenen Experten entwickeln kann. Dass ist dann das Schicksal von WUS hier, dass sie ihre Situation dann selbst in die Hand nehmen können. Man kann nicht immer nur von den Menschenrechten reden als etwas, das von außen kommt, sondern man muss das auch hier vor Ort aufbauen. Dafür braucht es entsprechende Ressourcen und eine Bibliothek dieser Art, und dazu gehören auch elektronischen Zugänge und so weiter. Damit können die Leute hier selbst viel anfangen und das ist eine, wenn man so will, humane Infrastruktur, die für den Wiederaufbau des Landes eine wichtige Rolle spielt. Jetzt lauft zum Beispiel gerade ein Projekt im Menschenrechtszentrum, wo landesweit Diskussionen über die Verfassungsreform durchgeführt werden. Das ist sehr wichtig, dass an der Basis, in der Bevölkerung diese Diskussion stattfindet und dass sie nicht nur von oben kommt.

Gernot Lercher:
Es wurden ja im Laufe der Jahre auch weitere Menschenrechtszentren in Bosnien-Herzegowina eröffnet, solches wie dieses. Wie funktionieren diese?

Wolfgang Benedek:
Wir haben mit Hilfe des Europarats in Mostar eines für beide Universitäten aufgebaut und ein Zentrum auch in Banja Luka. Leider ist das in Banja Luka derzeit inaktiv, weil die ehemalige Leiterin nicht mehr zur Verfügung steht, in Mostar läuft es noch auf Sparflamme weiter. Nachdem der Europarat seine Unterstützung eingestellt hat, läuft es leider auch nur mehr in einem beschränkten Maße. Während das Zentrum hier in Sarajevo ein regionales Vorbild geworden ist, also ein hervorragendes Zentrum der Exzellenz in dem Bereich.

Links:

  1. WUS - World University Serice Graz
  2. WUS Bosnien-Herzegowina 
  3. European Training Centre for Human Rights and Democracy ETC
  4. Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz - Wahlkampfbarometer